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Wutbürger
Von Sachen, die die Volksseele zum kochen bringen
Vor Jahren machte der Begriff Wutbürger mal die Runde, ich glaube, es war damals sogar mal Wort des Jahres oder zumindest ein ernsthafter Anwärter auf diesen ominösen Jahrespreis. Der Begriff bezeichnet u.a. in Rage gekommene Bürger, die sich über meist behördliche Maßnahmen oder Entscheidungen aufregen. Warum regen sie sich auf ? Meistens wenns an den eigenen Geldbeutel geht oder sie ungefragt Veränderungen ausgesetzt werden. Der Supergau ist dann noch die Verbindung aus beidem. Wir wollen uns da gar nicht ausschließen. War es früher vielleicht eher üblich, dass die so “beherrschten” Bürger das zähneknirschend aber schweigend hinnahmen, so sind diese Zeiten längst vorbei. Wenn es etwas um sich aufzuregen gibt, dann wird sich auch aufgeregt, mittlerweile allerdings auch schon, wenn es nur um Nichtigkeiten geht.
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Nicht in unserer Siedlung hier, sondern ein paar km weiter in einer Ortsrandsiedlung eines Nachbardorfes gab es im letzten Sommer gewaltig Zoff. In einem schmucken Mehrfamilienhaus - Neubau wollte ein privater Betreiber so eine Art Bordell einrichten, natürlich nannte sich das vornehm Club soundso, also gefolgt von einem vielversprechenden Namen. Die Behörden, die sonst ja gerne dazu neigen, etwas zu verbieten, hatten das Vorhaben jedoch abgesegnet und so stand der Eröffnung nichts mehr im Wege. Das heisst, fast nichts, wären da nicht die Bürger aus der Nachbarschaft gewesen, die davon in letzter Minute Wind bekamen. Ein Aufbrausen ging
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durch die Straßen, die Stimmung waberte vor Spannung, dass man es förmlich flimmern sehen konnte, wozu allerdings auch die 30 Grad Außentemperatur an dem Tag beitrugen. Ein Italo - Western aus den 60iger Jahren hätte die Dramatik nicht besser inszenieren können, es fehlten nur noch die Revolver und eine dezent - dramatische Mundharmonika - Hintergrundmusik. Am geplanten Eröffnungstag versammelten sich die Wutbürger vor der Einfahrt zu dem Lastertempel und sie blockierten diese dadurch für den kompletten Nachmittag. Interessierte Kunden drehten mit ihrem Auto flugs wieder ab und suchten eilig das Weite. Einige Damen öffneten ein Fenster und beschimpften die “geladenen” Eröffnungsgäste mit Worten wie “prüde Hanswurste” oder “sexuelle Hinterweltler”. Nach einer Weile trat ein seltsam gestylter Muskelmann mit so einer Art blondem Doppelschnäuzer (sicher gefärbt) vor die Türe und drohte den Herren der Blockade - Mannschaft mit einem zerbeulten Outfit, wie er das nannte. Davon ließen die sich überhaupt nicht beeindrucken und ausgerechnet der kleinste und schmächtigste Mann aus der Sperrtruppe spuckte die größten Töne. Der Muskelmann wollte sich diesen deshalb gleich mal zur Brust nehmen, die anderen stellten sich dann aber schützend vor den und meinten, wenn er einen angreife, bekäme er es sofort mit allen auf einmal zu tun. Der Muskelmann spuckte in die Gegend und verschwand hinter der Haustür des Etablissements. Wenige Minuten später eilte die Polizei herbei und bemühte sich, die Türsteher der besonderen Art zur Aufgabe ihrer Blockadehaltung zu bewegen, weil dies nicht rechtens sei. Nachdem die Wutbürger daraufhin ziemlich lautstark maulten, nahmen die Polizeibeamten von allen die Personalien auf und stellten rechtliche Schritte in Aussicht und vor allem, dass sie notfalls auch gewaltsam von dort entfernt würden, wenn sie nicht freiwillig die Zufahrt räumen. Mißmutig taten sie das dann auch. Die Polizisten rückten wieder ab. So schnell gibt der Wutbürger natürlich nicht auf. Klar, in der Einfahrt durften sie nicht stehen, aber auf ihren Grundstücken können sie ja machen, was sie wollen. Eine Stunde, nachdem sie zunächst nach Hause gegangen waren, versammelten sie sich auf einem Privatgrundstück genau gegenüber der Einfahrt zu dem Club, sie hatten sogar Campingstühle und einen Grill mitgebracht, sowie Ferngläser mit denen für alle gut sichtbar, der Einfahrtsbereich pausenlos genau kontrolliert wurde. Den meisten der eintreffenden Kunden des Clubs behagte das gar nicht, so dass sie gleich wieder weiter fuhren. - - - Die scheinen das durchgehalten zu haben, denn wie wir hörten, soll der Club nur zwei Monate später wegen schlechter Geschäfte dicht gemacht haben und der Inhaber hat dann das Haus als normales Mehrfamilienhaus verkauft.
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Der Wutbürger will überall mitreden.....
... egal ob er Ahnung von der betreffenden Sache hat oder nicht.
Anderer Ort, anderes Problem, gleiche Sorte von Wutbürgern. Der Bürger will heute überall mitreden, zu Entscheidungen befragt werden, nicht selten fließen dabei dann auch esoterische Betrachtungen mit ein, wo man als halbwegs aufgeklärter Mensch oftmals an jedem gesunden Menschenverstand der Agierenden zweifeln muss. Zuweilen möchte man glauben, eine Befragung in einer Irrenanstalt gemacht zu haben. Möglicherweise ist auch das nur ein weiteres Indiz für die zunehmende kollektive Verblödung der Menschheit. Damit will ich keineswegs behaupten, dass das auf alle Einwände z.B. gegen irgendwelche Neubauprojekte zutrifft, aber die Fälle von geistiger Umnachtung bei den Begründungen für manchen Bürgerprotest nehmen stetig zu.
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Bereits an anderer Stelle berichtete ich über einen guten Bekannten noch aus meiner Stuttgarter Zeit, der dort inzwischen am Stadtrand ein schon relativ großes Autohaus betreibt und der in den 1990er - Jahren ganz klein mit einer Hinterhofwerkstatt in Stuttgart angefangen hatte. Mit einem vermeintlich simplen Bauantrag für ein Erweiterungsgebäude an seinem heutigen großen Autohaus löste er sogar eine riesige
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Bürgerversammlung aus, die im Chaos endete. Man muss als Vorbemerkung dazu sagen, dass das große Autohaus, was er heute betreibt, bevor er es vor gut 10 Jahren kaufte, etliche Jahre ganz leer gestanden hatte, weil der Vorbesitzer wegen eines Einbruchs der Nachfrage Konkurs gemacht hatte. Nach dem Kauf betrieb mein Bekannter das Autohaus mit zunehmend wachsendem Erfolg. Er hat keine Markenvertretung für eine spezielle Automarke, bietet aber neben umfangreichen Werkstattleistungen, die sein Hauptstandbein ausmachen, seit längerem auch unzählige Gebrauchtwagen verschiedener Marken. Vor allem recht junge Gebrauchtwagen, die maximal 4 Jahre alt sind, führt er. Seit einigen Jahren hat er zudem eine Art Spezialabteilung oder Erweiterung in sein Programm aufgenommen, in der vor allem hochmotorisierte Autos angeboten werden. 200 PS sind da so die allerunterste Grenzmarke in dieser Abteilung und gelten dort fast noch als untermotorisiert, Fahrzeuge über 300 PS sind eher die Regel. Das bezieht sich aber nur auf diese Spezialabteilung, in seiner normalen Werkstatt und im angestammten Autohausbereich findet man auch Kleinwagen und normal motorisierte Autos. Weil es für die Präsentation der genannten PS - Boliden aber sinnvoller ist, diese vom Rest der Alltagsautos zu trennen, wollte er auf seinem großen Grundstück, wo noch reichlich freie Fläche vorhanden ist, eine schöne Ausstellungshalle für diese Flagschiffe bauen. Diese Halle sollte keineswegs erschlagend groß werden, nur rund 400 m² und in der Bauweise so, dass sie sich gut ins vorhandene Ortsbild einfügt. Der Bauantrag wurde mit Hilfe eines renommierten Architekten gestellt und wurde gleich im ersten Anlauf genehmigt. Kaum liefen die ersten Vorbereitungen für den Bau an, wurden einige Wutbürger aus der Nachbarschaft aufmerksam. Sie beschwerten sich bei der Stadtverwalung, diese schmetterte die Beschwerden allerdings ab. Daraufhin organisierten sie mit äusserst kuriosen Argumenten eine Protestversammlung im angemieteten Saal einer großen Gaststätte. Die dort von manchen Wutbürgerinnen vorgetragenen Beschwerdegründe kann man nur als absolut schwachsinnig bezeichnen, da war dann die Rede davon, dass ausgerechnet dieses Gebäude irgendwelche Erdstrahlungsquellen offen legen oder stören würde, wodruch dann einige Nachbarinnen mit ständigen Migräneattacken leben müssten. Andere bemängelten, dass sie keine Bauten dieser extremen Höhe in ihrem Stadtviertel haben möchten. Dazu muss man sagen, dass diese Ausstellungshalle an der höchsten Stelle gerade einmal um die 5 m hoch geworden wäre, während die Mietshäuser, in denen diese Beschwerdeführer selbst wohnen über 18 m hoch sind. Wieder andere keiften darüber, dass durch das Bauwerk weitere 400 m² Grünfläche verloren gehen würden, da auf dem noch unbebauten Bereich derzeit Rasen ist, wohlgemerkt auf dem Privatgrund meines Bekannten. Trotzdem waren bei der Protestveranstaltung nicht alle so bekloppt und erkannten noch die realen Momente der Sache und trugen diese vor. Das wollten die Spinner unter den Beschwerdeführern natürlich nicht hören und versuchten den gemässigten Leuten den Mund zu verbieten. Darüber entstand ein Streit, der wie ein Lauffeuer durch den Saal ging und sogar in diversen Handgreiflichkeiten mündete. Auch dort wurde am Ende die Polizei gerufen, die die Versammlung auflöste. Durch die nachträglichen Eingaben musste der Bauantrag neu überprüft werden, was die Sache deutlich verzögerte, aber zum Glück für meinen Bekannten, dann doch wieder mit der Baugenehmigung endete. Selbst von Seiten des Bauamts hatte man sich hinter vorgehaltener Hand schon geäussert, dass es eigentlich eher ratsam wäre, einige der Beschwerdeführer /-innen an einen Facharzt für Hirnschäden zu überweisen, wenn man deren Argumentationen so lesen würde.
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Kurs fürs Wutbürger - Diplom
Das Wutbürgertum wächst weiter und entwickelt sich unterdessen zu einer Art Lieblingshobby der Deutschen. Wer sich über nichts aufregt, hat irgendwas falsch gemacht. Klar gibt es Aufreger - Themen genug, sie liegen regelrecht auf der Straße. Nun formieren sich immer mehr Gruppen die da sagen, wer sich nicht wehrt, der hat schon verloren und jeder sollte seine Nische finden, in der er was findet, was ihm nicht passt. So wundert es einen heute auch schon nicht mehr, wenn es inzwischen Kurse gibt, in denen sich der engagierte Wutbürger den letzten Feinschliff holen kann, um mit seinem Unmut letztendlich auch eine Wirkung zu erzeugen. Der aus Stuttgart stammende
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Dozent Wolfgang Zeidler bietet da doch tatsächlich genau solche Kurse an, in denen der noch unbeholfene Wutbürger - Novize das nötige Rüstzeug kriegt, um a) möglichst viele Gleichgesinnte um sich zu gruppieren und b) die von der Sache abhängenden zuständigen Stellen ausfindig zu machen, die man bei Bedarf einschalten muss, um eine Wirkung zu erzielen. Grundregel Nummer Eins: niemand soll den Ärger einfach so in sich hineinfressen, sondern sofort gegensteuern, das befreit und bestätigt zugleich. Es gibt nichts schöneres, als
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gemeinsame Feinde und genau darum geht es. Für die angeprangerten Mißstände einen auszumachen, bei dem man die Schuld dafür abladen kann, gepaart mit einem gewaltigen Sack voller Wut. Die Kurse dauern 5 Stunden, aufgeteilt auf 3 Tage und kosten pro Kopf 15 Euro an Teilnahmegebühr. Eine Art Diplom in Form einer Teilnahme - Urkunde gibt es am Ende auch noch. Einige Breviere als Leitfaden für professionelles Auftreten als Wutbürger sind im Preis als Kopie bereits enthalten. Weitere Werke mit interessanten Ratschlägen für erfolgreiches Dampfablassen können gegen Aufpreis dazu erworben werden. Autor dieser Büchlein ist natürlich der Fachmann, Herr Zeidler selbst. Schande dem, der Böses dabei denkt, derjenige könnte darüber ja gleich ein Wutbürger - Demo organisieren.
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Es kommt nicht darauf an, wogegen du protestierst, sondern dass du protestierst !
Dieser zunächst recht obskur wirkende Satz ist heute das Leitmotiv vieler Demonstranten, die quer durch Europa reisen, um heute an einer Demo gegen ein neues Einkaufszentrum, morgen andernorts an einer Demo gegen Braunkohlekraftwerke und übermorgen wieder anderswo gegen die Geflügelhaltung in Großställen zu demonstrieren. Die Gründe für den Protest liegen überall zu Hauf auf der Straße und wenn man mal keine findet, erfindet man sie eben selbst. Frau Marhausen
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erforscht nun das neue Demonstrantentum, welches sich quasi immer mehr zu einer Art Berufsgruppe entwickelt. Wir nennen solche Leute schon länger Berufsdemonstranten, die zeitlebens nie eine richtige Ausbildung zu Ende gebracht haben, eigentlich nichts richtig können, außer die Schnauze aufzureissen. Danach kommen die sich dann auch noch wichtig vor und meinen, etwas positives für die Welt bewirkt zu haben. Genau dieser Bevölkerungsgruppe widmet Frau Marhausen ihr Forschungsgebiet. Die 59jährige
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gehörte nach eigenen Angaben in ihrer Jugend selbst der linken Szene an und hat also damals einschlägige Live-Erfahrungen gemacht, da diese Linkengruppierungen sich bei Demos aller Art seit eh und je besonders hervortun. Die gute Frau hat sich allerdings schon vor über 30 Jahren völlig von der linken Versagerszene, wie sie das selbst nennt, verabschiedet. Sie hat damals erkannt, dass die ganze Haltung, die dahinter steht, keine Zukunft haben kann und eigentlich nur alles destruktiv betrachtet und kaputt macht, ohne Hirn und Verstand und vor allem ohne wirklich brauchbare Gegenmodelle zu bieten. Wenn mal Gegenmodelle geboten werden, was selten vorkommt, sind es Ideen, wie sie bestenfalls von Kindergarten - Kindern stammen können, die von der Welt noch rein gar nichts begriffen haben sowie realitäts- und alltagsfern in ihrer eigenen Gedankenwelt versunken sind. Als spät Berufene hat sie dann im zarten Alter von 35 Jahren noch Politologie studiert und sich inzwischen seit Jahren der Erforschung jeglicher Protest- und Widerstandskultur gewidmet. Die Überschrift, dass es nicht darauf ankommt, wogegen du protestierst, sondern dass du protestierst, stellt sich gewissermaßen als Leitmotiv für die heutigen vagabundiernden Demonstranten dar. Interessanterweise kreuzen sich hier sogar einige Gebiete ihrer Forschung mit denen einer Gruppe von Professoren und Doktoren aus dem medizinischen Bereich, die sich der Erforschung der zunehmenden, kollektiven Verblödung der Menschheit widmen. Beide Effekte laufen scheinbar parallel ab und haben, zumindest zum Teil, die gleichen Ursachen. Man könnte von einer geistigen Verwahrlosung, gepaart mit Orientierungslosigkeit und gleichzeitigem unerfüllbaren Machtstreben und Wichtigtuerei sprechen. Wir fanden die Ansätze von Frau Marhausen recht interessant. Im nächsten Mai wird sie in einem Saal von Frau Barows Bürohaus einen Vortrag über ihre aktuellen Forschungen halten, den wir unbedingt besuchen wollen.
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