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wieder schön. Es war so, als könne man, wie durch einen Zeittunnel, nochmal in die alte Zeit von damals zurück schreiten. Ein komisches Gefühl. Auch der alte Geruch, der früher in solchen Treppenhäusern herrschte, war gleich wieder da, als hätten wir 1956 und nicht 2016. Das Treppenhaus war sehr ähnlich gestaltet dem, wie es früher in Stuttgart in dem Haus war, wo ich als Kind oder Jugendlicher Anfang der 1960er Jahre noch mit meiner Mutter wohnte. Selbst die gleichen altmodischen Glühbirnenlampen mit Porzellansockel hingen dort noch an den Wänden und taten treu ihren Dienst. Es waberte ein Geruch von frisch gekochtem Sauerkraut durch den Flur, genau wie damals. Fehlte nur noch, dass von oben meine Mutter rief: “Das Essen ist fertig!” Das konnte natürlich nicht sein, weil meine Mutter schon seit 1967 tot ist und das im Gegensatz zu dem Karl wirklich. Trotzdem, viele kennen sowas vielleicht auch, wenn zuviele Dinge identisch mit Erlebnissen aus der Kindheit sind und man selbst nicht so recht begreift, was da gerade abläuft, treibt es einem die Tränen in die Augen, ob man will oder nicht. So ging es mir in dem Moment auch. Kayla und der Karl bemerkten natürlich, dass mir diese Situation irgendwie recht nahe ging. Kayla spendete Trost und Tempo - Taschentücher, Karl schaute absichtlich in eine andere Richtung, so als wolle er sagen, ich will dir mit deinem traurigen Moment keine Blöße geben. Nun ja, nach einigen Minuten waren wieder klare Gedanken gefasst und wir betraten Karls Wohnung, die im zweiten Stock dieses Hauses liegt. Da kam zunächst gleich ein Aha - Effekt, denn so schäbig und unrenoviert der gesamte Flur mitsamt Treppenhaus aussieht, so war die Wohnung selbst innen doch ein Kontrastprogramm dazu. Nicht luxuriös, aber doch sehr angenehm gestaltet, kein bischen marode wirkend und relativ groß noch dazu. Eine Wohnung in einer alten Stadt-Mietskaserne und das mit einem mindestens 25 m² großen Bad, sowas habe ich auch noch nie gesehen. Dabei war das Mammutbad keineswegs neu, sondern verkündete eindeutig den Stil der 1970er Jahre mit halbhoch gefliesten Wänden, das Muster der einzelnen Kacheln ineinander verlaufende Kreise in gelb, orange, weiss und grün auf braunem Grund, das war so weit aus der heutigen Zeit heraus gefallen, dass es schon wieder modern ist. Karl erklärte, dass dieses Bad bereits in der Wohnung war, als er sie in den 1980er Jahren anmietete. Trotzdem sei dieser Badraum natürlich nicht immer Bad gewesen. Er kannte alte Pläne von dem Haus, die noch aus dem Jahr 1924 stammten und da gab es gar kein Bad, aber fast drei mal soviele Wohnungen in dem Haus, die größtenteils nur aus ein oder zwei Zimmern bestanden. Klo gabs dort damals noch nicht mal auf der berühmten Treppenstiege, wie in vielen Altbauten aus dieser Zeit, sondern einfach im Hinterhof in zwei Büdchen, also draussen. “Wer da im Winter drauf musste, hat wohl lieber im Zimmer unter den Tisch geschissen”, meinte Kayla. Spaß muss sein, solche Vorlagen nimmt Kayla gerne auf. Viel brennender war natürlich die Frage, was denn nun eigentlich wirklich mit Karl Ende der 1960er Jahre passiert war, dass er auf einmal spurlos verschwand. So begann Karl mit traurig - zerknittertem Gesicht zu erzählen, wie das damals alles wirklich ablief.
Die Geschichte ist, wie so oft im Leben, eigentlich relativ einfach, aber dann teils doch wieder kompliziert, weil sie natürlich gewisse Verkettungen auslöste oder hätte auslösen können. Wie schon oben erwähnt, hatte Karl damals in Stuttgart eine Freundin, mit der er aber nicht zusammen wohnte. Das war damals auch nicht üblich, solange man nicht verheiratet war. Das mag manch einem heute recht befremdlich vorkommen, früher war es jedoch die Regel, dass eine gemeinsame Wohnung erst nach der Heirat genommen wurde. Ich glaube mich zu entsinnen, dass es zu der Zeit sogar rechtlich Vermietern verboten war, Wohnungen an nicht verheiratete Paare zu vermieten. Karl hatte den Beruf des Werkzeugmachers erlernt und arbeitete in Esslingen bei Stuttgart in einer großen Maschinenfabrik. Im Oktober 1968 gab es auf Geheiß der Werksleitung eine Art Zwangsurlaub von 10 Tagen für alle Beschäftigen, die in seiner Abteilungswerkstatt arbeiteten, weil für bestimmte Projekte zuviele Teile auf Vorrat produziert worden waren. Damals hatten alle Firmen noch große Lagerbereiche und da die Lager mit den Produkten überliefen, musste so halt zwangsweise die Produktion gedrosselt werden. Der Lohn wurde zu 40 % weitergezahlt, na immerhin, dafür konnten die ja zuhaus bleiben und die Zeit wurde auch nicht vom echten Urlaub abgezwackt. So entschloß sich Karl spontan eine Reise nach Italien in die Toscana zu unternehmen. Das hatte er seinem ganzen Lebensumfeld aber nicht gesagt, weil er eigentlich nach vier Tagen wieder zurückfahren wollte. Seine damalige Freundin wusste davon auch nichts, weil er es ihr absichtlich nicht gesagt hatte, da er gezielt ohne die fahren wollte, um mal etwas Auszeit aus der Beziehnung zu bekommen. Ihr hatte er nur gesagt, er müsse angeblich auf einen Lehrgang nach München, damit die nicht nachbohrt. So ging die Reise nach Italien. Nachdem er drei Tage in der Toscana verbracht hatte, fuhr er in die Stadt Turin, um dort ein spezielles Museum zu besuchen, weil er da immer schon mal hin wollte. In dem Museum traf er dann auf eine Italienerin, die sogar deutsch sprach, weil sie als Kind 6 Jahre in Hannover gelebt hatte, wo ihr Vater als Gastarbeiter gearbeitet hatte, so nannte man das damals. Man ahnt es. Zwischen den beiden hats gewaltig gefunkt. Karl meinte, dass er auf Anhieb gewusst (oder geglaubt) habe, das sei die Frau fürs Leben. Die beiden beschlossen spontan zusammen zu bleiben und das in Italien. Gewohnt wurde in einem kleinen alten Häuschen auf dem Land, rund 35 km von Turin entfernt, welches seine Angebetete von einer Oma sozusagen zur Verfügung gestellt bekam. So kostete das wohnen so gut wie nichts. Da Karl zwar seinen Job liebte, aber nicht seine Arbeitsstelle, weil der Abteilungschef ein unausstehlicher Choleriker und Tyrann war, hat er dort nie bescheid gesagt, seiner Ex - Freundin aus Stuttgart hat er auch keine Nachricht zukommen lassen. Natürlich dem ganzen anderen Bekanntenumfeld auch nicht, denn sonst hätten die sich möglicherweise bei der Freundin verplappert und das wollte er nicht riskieren. Nur seine Stuttgarter Wohnung hat er ein viertel Jahr später “fernentrümpeln” lassen, indem er alle Sachen einem Trödelhändler aus Stuttgart schenkte, mit der Auflage einen noch ausstehenden Mietbetrag von damals 160 DM an die Hausbesitzer zu überweisen. Irgendwer aus seinem früheren Bekanntenkreis hat dann nach vielleicht einem Jahr das Gerücht aufgebracht, dass der Karl in Italien bei einer Bahnreise zu Tode gekommen sei, weil der auf eine unbekannte Weise zumindest mitbekommen hatte, dass er nach Italien gefahren war. Da Karl von dort nie wieder kehrte, bastelte der dann aus den paar Fakten selbst diese Story um Karls Tod, weil ihm das plausibel erschien und weil zu der Zeit eine Meldung durch die Presse ging, dass ein Deutscher in Italien von einem Zug erfasst und getötet worden sei. Dabei handelte es sich in Wahrheit natürlich nicht um den Karl. Doch zurück zu Karl selbst. Der wohnte also ab dann in Italien zusammen mit seiner großen Liebe. Die muss ihm wirklich schon heftig den Kopf verdreht haben, dass er von einem Tag auf den anderen seine frühere Freundin in Stuttgart sausen ließ, die war nämlich, wie ich fand, sehr nett und auch noch recht hübsch dazu, wobei letzteres natürlich immer im Auge des Betrachters liegt. Auch Arbeit, Wohnung, Bekanntenkreis, das ganze gewohnte Umfeld, von heute auf morgen weg, also da muss der Pfeil von Amor schon gewaltig eingeschlagen haben, denn sonst macht man sowas nicht. Seine italienischen Sprachkenntnisse erlente er erst vor Ort, sozusagen an den Originalschauplätzen. Da er in Italien keinen Job als Werkzeugmacher finden konnte und sich wegen der anfänglichen Sprachprobleme jegliche Jobsuche sehr schwierig gestaltete, ließ er sich in dem Dorf, wo sie wohnten, auf einen Hilfsjob in einer kleinen Autowerkstatt ein. Das brachte natürlich nicht viel Geld, aber immerhin ein kleines regelmässiges Einkommen. Seine Geliebte arbeitete in einem großen Hotel in einem Vorort von Turin an der Rezeption und brachte dadurch wesentlich mehr Geld mit nach Hause, als er. So gab es mit beiden Einkünften zusammen keine finanziellen Probleme, zumal die laufendenden Unterhaltskosten für das Haus, wie Steuern und ähnliches, in Italien wesentlich geringer lagen, als man das von hier gewohnt ist. So gingen die Jahre ins Land, immerhin 12 Jahre, um genau zu sein. Doch dann begann für Karl nach eigenen Worten eine sehr harte Zeit. Seine Freundin veränderte sich immer mehr. Sie entwickelte sich zu einer giftigen Ziege, wie er sagte, die permanent rund um die Uhr nur noch an ihm am herumnörgeln war. Kaum sah man sich, gab es sogleich zig Befehle von ihr, was er alles noch erledigen müsse und egal, wie er das dann erledigte, ein lautstarker Verriss seiner Tätigkeiten war ihm sicher. Es gab nach seiner Ansicht keinen einzigen Grund für diese völlig veränderte Haltung ihm gegenüber. Als er ihr dann androhte, sie zu verlassen, hat sie nicht etwa gesagt, dass er doch gehen soll, wie man es unter diesen vermutlich unzufriedenen Zuständen normalerweise erwarten würde, sondern sie warnte ihn, dass er sich das bloß nicht trauen sollte, dann könne er aber etwas erleben, wogegen die Hölle die reinste Freudenparty wäre. Man kann sagen, dass er dann im Prinzip das Gleiche gemacht hat, wie damals, als er Stuttgart verließ, nur halt mit umgekehrten Vorzeichen. Nachdem er einige Tage zuvor persönlich wichtige Gegenstände schon in seinem Auto deponiert hatte, ist er dann mit dem Wagen einfach wieder nach Deutschland gefahren, hat seinen ehemals angebeteten Goldschatz sowie Italien sang- und klanglos verlassen. Zurück nach Stuttgart wollte er allerdings nicht, weil er befürchtete, dass er seine ehemalige Stuttgarter Freundin sowie sonstige alte Bekannte wieder treffen könnte, was er damals keinesfalls wollte, da er selbst Schuldgefühle in sich trug, eben weil er die alle damals so einfach verlassen hatte. In den weiteren Umkreis seiner ehemaligen Heimat wollte er aber schon, dabei kam ihm die Stadt Karlsruhe in den Sinn, weil die ihm früher immer schon gut gefallen hatte. So landete er im Jahr 1981 ohne Wohnung, aber mit einem Auto mit italienischen Nummernschildern in Karlsruhe. Dort konnte er sich einigermaßen sicher sein, dass ihn keiner kannte, er aber doch irgendwie wieder in der alten Heimat mit den vertrauten Lebensweisen unterkommen konnte. Die Suche nach einer bezahlbaren Mietwohnung führte ihn dann in genau dieses alte Mietshaus, wo er auch heute noch lebt und was damals schon vermutlich fast genauso abgenutzt aussah, wie heute. Damit seine italienische Furie ihn nicht anhand des Autos wiederfinden konnte, hatte er den Wagen bis nach Nürnberg gefahren und ihn dort einfach einem Gebrauchtwagenhändler als Ausschlachtfahrzeug zur Teileverwertung billig verkauft. Der hat ihn kurz danach in seine Einzelteile zerlegt, so dass es kein Auto mehr zu finden gab. Er selbst ist dann mit der Bahn wieder zurück nach Karlsruhe gefahren. Von der Frau hat er dann auch nie wieder etwas gehört. Aus seinem italienischen Leben hatte er noch genug Geld mit rüber gerettet, um die ersten 6 Monate hier in Deutschland notfalls auch ohne Job leben zu können. Er machte sich sogleich auf die Suche, nach einer Stelle als Werkzeugmacher. Aber dieser Beruf war damals schon in seiner alten Form im Aussterben. Nach über 12 Jahren aus dem Beruf, hatte sich da soviel verändert, dass keine Firma ihn mehr brauchen konnte. Als er noch in dem Beruf aktiv war, wurden alle Sachen quasi händisch auf dem Zeichenbrett geplant und an Drehbänken oder anderen Maschinen selbst hergestellt, aber in den 80er Jahren waren schon in dem Bereich die Computersteuerungen mit CNC und weiss der Geier sonst was eingezogen, alles Sachen, von denen er null Ahnung hatte. Um an Geld zu kommen blieben auch hier nur Hilfsjobs. Er hat dann über 10 Jahre in einer Großtankstelle in Karlsruhe als Nachtkassierer gearbeitet. Immer nur Nachtschicht, einerseits, weil es ein Job war, den kaum ein anderer freiwillig machen wollte, andererseits weil diese Stelle mit 40 % Zuschlag zum normalen Lohn vergütet wurde und das dauerhaft, weil er ja nur Nachtdienst machte, überhaupt keine normalen Tagdienste. Nun waren damals die Gefahren überfallen zu werden noch nicht ganz so groß wie heute. Das kam zwar auch mal vor, aber vielleicht einmal in 5 Jahren, heute passiert das an dieser Tankstelle 5 mal in einem Jahr, wenn mal wieder irgendwelche durchgeknallten hirnverätzten Junkies Geld für Stoff brauchen. Danach hat er dann noch ein paar Jahre einen etwas ruhigeren Job als sogenannter Sortiments- und Warenbeschicker gehabt. Bei großen Supermärkten ist es oft so, dass nicht mehr eigene Angestellte die Regale mit den Waren befüllen, sondern eben solche Warenbeschicker, die von Großhandelskonzernen oder gleich von den Herstellern der Waren bezahlt werden. Der Job hat ihm allerdings nicht wirklich viel Spaß gemacht, aber es gab relativ gutes Geld dafür. Seit 1999 ist er Rentner, weil noch gesundheitliche Probleme auftauchten, die eine frühere Verrentung ermöglichten. Eine Frau bzw. Partnerin hat er nicht und lebt alleine in seiner durchaus angenehmen und für eine Einzelperson reichlich großen 110 m² - Altbauwohnung. Seit der Italienerin hat er sich nach eigenen Angaben gar nicht mehr so richtig zu einer festen Partnerschaft getraut. Ab und zu mal einige eher flüchtige Bekanntschaften habe es gegeben, daraus wurde jedoch nie was ernstes. Nach seiner Ansicht gibt es heute viele seltsame Frauen, die ständig darauf drängen würden, in irgendwelche teuren Speiselokale ausgeführt zu werden. Darin sieht er nun wirklich keinen schwerpunktmässigen Sinn einer Partnerschaft und auf solch aufgeblähtes Gehabe könne er dankend verzichten. Früher waren die meisten Frauen mehr geerdet und mit beiden Füßen auf dem Boden, heute heben die alle ab, als wären sie die Queen höchstpersönlich und haben keinen richtigen Bezug zur realen Welt mehr, fand er. Er meinte, er lebt heute gut alleine und mit Freude in den Tag hinein, ohne jeglichen Streß. Seine Hauptbeschäftigung ist, seine Mietwohnung in dem Haus in Schuß zu halten, zu wandern, etwas mit dem Auto durch die Umgebung zu fahren, nochwas lesen und Musik hören, aber spezielle Hobbys, wie sie sich viele andere Leute im Ruhestand heute gönnen, hat er sich absichtlich nicht zugelegt. Er findet es frustrierend, wenn man dann als alter Mensch sich liebgewordene Sammlungen oder Dinge aufbaut, nur um dann irgendwann zu sehen, dass alles für die Katz war, wenn die eigene Gesundheit es nicht mehr erlaubt, sich weiter diesen Dingen zu widmen. Oft landen die Sachen dann auf dem Sperrmüll oder andere bereichern sich dran, die man gar nicht kennt, also wozu das alles? Vor zwei Jahren gönnte er sich einen Internetanschluss und entdeckte vor einem Jahr hier unsere Seiten. Da es in Deutschland nicht gerade von Lappenkeuler’s wimmelt, so weit ich weiss gibts im ganzen Land heute nur noch 5 oder 6, die aber alle weit verstreut wohnen und die ich noch nicht mal kenne, war schnell klar, dass es sich hier um seinen ehemaligen Kumpel handeln musste. Nun nach insgesamt fast 50 Jahren Distanz fühlte er sich unbesorgt genug, sich melden zu können, ohne damit noch eine größere Lawine des Entsetzens oder der Verwunderung auszulösen. Er hatte allerdings vorher schon fast ein Jahr lang überlegt, ob er das tun soll oder nicht. Bei seiner früheren Freundin aus Stuttgart hatte er nicht vor sich zu melden, weil er da keine alten Wunden aufreissen wollte. Wer weiss, dachte er, ob die anderweitig verheiratet ist und dann kommt es relativ schlecht an, wenn sich plötzlich ein alter Freund meldet. Unterdessen hatte er aber trotzdem ziemlich umfangreich recherchiert, wo die heute lebt, rein aus Neugierde. Allerdings kam dabei wenig erfreuliches heraus. Diese hatte wohl im Jahr 1978 einen anderen geheiratet, wurde aber 1980 bereits wieder geschieden, um dann 1983 wieder einen anderen zu ehelichen. Allerdings starb sie bereits im Jahr 1994 an einer schweren Erkrankung. Wie er sagte, wäre es gar nicht so einfach gewesen, das alles raus zu kriegen, weil die Namen sich durch die zweifache Heirat jedesmal geändert hatten. Immerhin hätte sie bis zuletzt in Stuttgart gelebt. Das alles war mir völlig unbekannt, weil es meinerseits damals nach Karls Verschwinden überhaupt keinen Kontakt zu seiner ehemaligen Stuttgarter Freundin mehr gab. Ich weiss nur, dass sie innerhalb Stuttgarts damals an den nördlichen Stadtrand oder fast schon in den Bereich Kornwestheim verzogen war. Sie hatte ja nie mit Karl zusammen gewohnt, aber trotzdem ihre eigene Adresse nach der tiefen Enttäuschung verändert. Wie dem auch sei, ich hatte keinen Kontakt mehr zu der und wusste davon gar nichts, weil sie genauso schlagartig aus meinem Umfeld verschwand, wie der Karl. Vermutlich konnte sie nach dessen Weggang nicht mehr die alten Gesichter sehen, weil sie dass immer an diese herbe Enttäuschung erinnert hätte, ich kann das nachvollziehen, auch wenn ich selbst ja genauso verblüfft war. So tröstet sich Karl heute selbst damit, dass er, wenn er damals seine Stuttgarter Freundin sozusagen behalten hätte, diese wegen der oben erwähnten Erkrankung dann ja auch 1994 wieder verloren hätte. Aber Gedanken über solche Auswirkungen würden hier jetzt zu weit führen. So plauderten wir noch 2 Stunden über alte und neue Zeiten, bevor wir wieder nachhause fuhren. Karl war am meisten erstaunt darüber, dass wir heute in einem eigenen Haus auf großem Grundstück wohnen und das von anbeginn an völlig schuldenfrei, weil ich früher immer so ein wenig den Ruf des ewigen Verlierers hatte, der es im Leben nie zu was bringen würde. Ich muss zugeben, obwohl es komisch klingen mag, ich habe damals diesen Ruf immer etwas genossen und mich über die anderen lustig gemacht, wenn diese Luftnummern verschuldet bis zur letzten Haarspitze mit Dingen protzten, die ihnen bei genauer Betrachtung gar nicht wirklich gehörten, sondern der Bank, dann konnte ich sagen, ich habe diesen sinnlosen Selbstbetrugs - Streß nicht und bin mit dem zufrieden, was ich habe und was ehrlich bezahlt ist. Aufbauend auf dieser Haltung habe ich es auf lange Sicht zu mehr gebracht, als die mit ihrer Selbstbetrugspolitik, aber das ist ein ganz anderes Thema, was mit Karl überhaupt nichts zu tun hat, es sei nur am Rande erwähnt. Karl wird uns demnächst einen Gegenbesuch abstatten, da er vor Neugierde auf unser Anwesen kaum noch ruhig sitzen konnte. Er fährt heute einen älteren Mini, der aber schon unter BMW - Regie gebaut wurde, der vielleicht 15 Jahre alt ist und das passt, weil er früher in den 60iger Jahren schon immer ein großer Mini - Fan war, der damals aber noch viel kleiner war und als Leyland - Austin - Mini verkauft wurde, ohne dass BMW da seine Finger im Spiel hatte. Ich bin mal gespannt, wie dieser Gegenbesuch verläuft und werde danach hier vielleicht den Bericht entsprechend ergänzen; übrigens mit ausdrücklicher Absegnung vom Karl, der ja gewissermaßen der Hauptdarsteller in diesen Zeilen ist..
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