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Aufstand um ein Blatt Papier
Manchmal entwickeln kleine, scheinbar unbedeutende Dinge ein skurriles Eigenleben. Natürlich kann man in alles alles hinein interpretieren, ob man dabei jedoch jedes gesunde Maß an nüchterner Bewertung verlieren muss? Gewiss ist seit langem bekannt, dass der allgemeine zunehmende Linksruck in Deutschland zugleich dafür sorgt, dass man zuweilen auf dem rechten Auge etwas überempfindlich reagiert, was dazu führt, dass man schon mal gerne mit Kanonen auf Spatzen schießt.
Folgendes hatte sich in einem Städtchen etwa 20 km von hier entfernt zugetragen. In einem kleinen Park in besagtem Städtchen wehte der Wind einige lose Papierblätter über die Rasenflächen, die möglicherweise jemand verloren hatte. Es könnte aber auch sein, dass sie absichtlich dort ausgestreut wurden, keiner weiss es. Es waren nicht soviele Papierblätter, dass man von grober Verunreinigung sprechen könnte, vielleicht drei oder vier, die in weitem Abstand dort umher flatterten. Nun wollte es der Zufall, dass ausgerechnet ein örtlicher Anhänger der Linkspartei mittags durch diesen Park ging und genau vor seinen Füßen solch ein Blatt zum Liegen kam. Der hob es auf und entdeckte dabei Fürchterliches, was ihm den Atem stocken ließ. Auf der Vorderseite stand, offensichtlich von einem Computerdrucker gedruckt, nur der eine kurze Satz: “Wir brauchen einen neuen Adolf!” Keine weiteren Kommentare oder Erläuterungen in welchem Bezug das gemeint ist. Damit nicht genug, auf der Rückseite entdeckte der Finder eine leicht verwaschene Bleistift - Kritzelei von Hand, in die man, bei sehr viel gewollter Phantasie, so etwas ähnliches wie ein etwas verunglücktes Hakenkreuz hinein interpretieren könnte. Genausogut hätte es aber auch ein Versuch sein können, ein altes Türblatt zu zeichnen oder die Verzierung eines runden Kirchenfensters, die auch manchmal solche Musterungen aufweisen, die man mit Phantasie in die Nähe eines Hakenkreuzes rücken könnte. Wie gesagt, könnte! Nun hatte dieser Finder nichts besseres zu tun, als mit dem Blatt, in dem er einen fürchterlichen Angriff auf unser demokratisches Wertesystem sah, zur Polizei zu rennen und zugleich, auf dem Weg dorthin, per Handy die örtliche Regionalpresse schon mal auf einen Nazi - Skandal ungeahnten Ausmaßes vorzubereiten. Überall sah er schon die braune Suppe kochen und befürchtete, dass in Kürze sowas wie SS - Leute vor seiner Tür stehen könnten und ähnliche Horror - Szenarien, wie in hinlänglich bekannten Verfilmungen, spielten sich wohl in seinem Kopf ab. Mit entsprechender Dramatik hatte er den Fund bei der Polizei präsentiert und da mehrere Blätter in dem Park herum wehten, hatte er es gleich mal vorweg so dargestellt, als wären das alles solche Nazi - Pamphlete, die im Sinne von Flugblättern die Leute beeinflussen sollten. Schon begann die besagte Eigendynamik ihren Lauf zu nehmen. Es wurden von einer Bereitschaftsstaffel 25 Leute angekarrt, die systematisch den ganzen Park und dessen Umfeld nach den weiteren Zetteln durchsuchten, die dort flatterten. Anwohner des Parks und Passanten wurden befragt, ob sie gesehen hätten, wer dort möglicherweise diese vermeintlich staatsfeindlichen Objekte platziert hatte. Von der Regionalzeitung eilte ein Reporter herbei, der, dank dieser Story, schon seinen Stern am Journalistenhimmel aufleuchten sah. Mit wenig Sinn und Verstand befragte dieser gleich zahlreiche Leute vor Ort, die dort eher zufällig vorbei kamen, ob in Kürze größere Aktionen von rechts zu erwarten wären und wo dort die rechte Szene möglicherweise ihr Domizil hätte und ähnlich gelagerte Fragen. Egal was die Leute auch antworteten, die meisten wussten übrigens nichts von einer derartigen Szene in dem Ort, weils keine gab, aber der Reporter stellte seine Fragen so, dass am Ende immer etwas scheinbar spektakuläres dabei raus kam. Nach einigen Stunden war der Spuk vorbei. Der Suchtrupp hatte weitere drei oder vier Blätter gefunden, die aber alle völlig andere Inhalte aufwiesen, teils religiöser Art, wie etwa auf einem Blatt soll nur die Frage gestanden haben: “Gibt es Gott wirklich?”. Zum Glück kam keiner auf die Idee, deswegen eine neue Inquisition zu fordern. Der enttäuschte Reporter verließ niedergeschmettert den Park. Wieder keine brauchbare Story, die große Welt des Journalismus wird weiter auf das Aufleuchten eines neuen Sterns am Journalistenhimmel warten müssen. Es hieß übrigens einige Tage später, dass es möglich wäre, dass ein Schüler diese Zettel verloren hätte, die er für ein Rollenspiel in der Aula der Schule vorbereitet hatte. Ganz sicher war diese Information jedoch nicht. Die Allgemeinheit muss gewissermaßen das Portemonnaie öffnen, denn die Kosten des Sucheinsatzes belaufen sich auf 4.500 Euro, einschließlich An- und Abreise der Kräfte, die der Linke nicht zahlen brauchte. Unterdessen soll der in seiner Stammkneipe schon von einer bitteren Verschwörung gesprochen haben, weil die Rechten schon soviel Macht hätten, dass alles zu vertuschen. In den Nächten danach wird er möglicherweise schlecht geschlafen haben, in der Angst, dass mitten in der Nacht Männer in schwarzen Ledermänteln bei ihm vorfahren, um ihn abzuholen. Seine Angst darüber soll er mit reichlich Wodka und Bier fort gespült haben.
Daran sieht man wieder sehr schön, wie heutzutage jedes Nichts fast zu einem Skandal aufgebauscht wird.
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