Literatur

Man liest jeden Tag so viel, da liegt es eigentlich auf der Hand, auch einmal ein wenig Kritik an so manchem dieser Texte zu üben. Ich weiß, viele werden sagen, da sollten wir zuerst einmal bei uns selbst anfangen, aber über sich selbst Kritik zu üben macht nun einmal keinen Spaß und wird meistens auch unfair, weil es ein wenig wie Eigenlob wirkt, zumindest dann, wenn diese Eigenkritik gut ausfällt. Keine Angst, wir wollen dem vor einigen Jahren verblichenen Herrn

Reich-Ranicki keine Konkurrenz machen und als seine Nachfolger eignen wir uns auch nicht, für beides sind wir einige Nummern zu klein und mit zu wenig Wissen über die Grundsätze von Qualität oder Nichtqualität in Sachen Literatur ausgestattet. Er hat ja seinerseits Ende 2008 bei einer Preisverleihung selbst für einiges Aufsehen gesorgt, nur weil er einen Preis nicht annehmen wollte. Recht hatte er, denn diese

stark aufgeblähten Preisverleihungen kommen mir schon lange vor, wie pompöse Hohlkörper - Veranstaltungen. Aufwändige Fassade und wenig bis gar nichts dahinter, wie so oft heute. Diese Galaveranstaltungen halte ich für die reinste Selbstbeweihräucherung und für Auswüchse des noblen Getues ohne wirklich fundamentalen Hintergrund. Nobles Gehabe können wir ohnehin nicht leiden, wie Sie vielleicht auch schon aus einigen unserer Texte heraus lesen konnten.


Bücher wirft man nicht weg

Ein Herr Naujok, den wir kürzlich kennenlernten, weil er neben unserem Wohnsitz, auf dem Areal der alten Fabrik, eine kleine, alte Halle angemietet hat, huldigt besonders Büchern aller Art. Er verehrt sie regelrecht und sein Grundsatz lautet: “Bücher wirft man nicht weg! “ Herr Naujok, der heute immerhin 74 Jahre alt ist, war in seinem früheren Berufsleben sogar in einer größeren Stadt als Ermittler bei der Kriminalpolizei, hatte also beruflich eher wenig mit Büchern zu tun, außer dass man mit seinen früheren Berufserlebnissen Bücher füllen könnte. Seine Liebe zu Büchern

geht allerdings schon etwas komische Wege. Seine Vorliebe gilt nämlich nicht nur den textlichen Inhalten, sondern den Büchern als solches. Das heisst, wenn es sich ergibt, passiert es auch, das er von ein und dem gleichen Titel und der gleichen Ausgabe 400 Exemplare hat. Wenn Verlage, Buchhandlungen, Privatleute oder wer auch immer, Bücher übrig hat, die entsorgt werden sollen, tritt Herr Naujok zur Stelle und übernimmt alle, egal wie viele, egal welche Sparte, welche Titel, welche Sprache. Getreu seinem Grundsatz, dass man Bücher eben nicht wegwirft, rettet er

Herr Naujok, Büchersammler

sie so massenweise vor den Öfen der Müllverbrennungsanlagen oder vor sonstigen “finalen Behandlungsmethoden”, wie er das nennt. Er versucht dann, soweit erlaubt und möglich, diese Bücher wieder zu verkaufen. Das gelingt nur bei wenigen, die meisten werden eingelagert. Deswegen benötigt er nun die oben erwähnte Halle. Zuhause hatte er schon Dachboden, Garage, Keller, den Wintergarten, ein Gartenhaus und das ehemalige Kinderzimmer bis zum Bersten mit Büchern vollgestopft. Seine Gattin war schon kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Da stolperte er über ein Inserat, dass hier, nur 20 km von seinem Wohnort entfernt, Hallengebäude uä. zu sehr niedrigen Preisen zu vermieten wären. Viel kosten durfte es nicht und so konnte er eine leicht desolate kleine Halle mit immerhin 200 m² Nutzfläche für kleines Geld anmieten. Die Halle wurde dann mit preiswerten Methoden von ihm und seinem Schwiegersohn in ein paar Wochenenden so hergerichtet, dass innen alles trocken und sauber ist. Es wurden große Eigenbau - Regale aus Holz eingesetzt und seine ganze Fracht an insgesamt rund 300.000 Büchern dort eingelagert. Seine Frau zu hause war überglücklich, als dort auf einmal wieder Zimmerwände sichtbar wurden, die sie vor 25 Jahren zuletzt gesehen hatte, weil alles Bücherstapel davor lagen. So sind beide wieder glücklich, Herr Naujok bewahrt die Bücher vor der Vernichtung und seine Frau braucht sich nicht mehr über die Unzahl an Verlagswerken zu ärgern. Die kleine Miete für die Halle tut ihm nicht weh, da er eine gute Pension erhält und das ist ihm die Sache wert. Übrigens sagt er: “Ein Mensch, der Bücher vernichtet, vernichtet auch Menschen.” Wer daran Zweifel äussert, wird dann schon mal mit dem Hinweis auf Hitler eines besseren belehrt.


Eigenständiges Werk oder Wortsalat ?

Eine Frau Lazor schreibt Bücher, das heisst eigentlich schreibt sie sie nicht, sondern sie sucht aus hunderten bereits existierender Bücher nach einem Zufallsprinzip einzelne Worte aus, die sie ohne bezugliche Sortierung, einfach zu mehr oder eher weniger sinnvollen Sätzen zusammen fügt. Auf diese Weise schreibt (oder puzzelt) sie dann ganze Buchinhalte zusammen, die teils

Frau Lazor, etwas spezielle Buchautorin

über 700 Seiten Umfang aufweisen. Nach Ansicht der 31jährigen ist das aus dieser Methode resultierende Ergebnis künstlerisch mindestens ebenbürtig mit Hochwerken der Weltliteratur. Ist es nicht gleich, als würde man nur endlos blabla schreiben? Sie sagt nein, weil das Interessante dabei wäre, dass sich, entsprechende Phantasie beim Leser vorausgesetzt, daraus spannende Inhalte zusammenreimen ließen, die wie ein Rohdiamant, der vom umgebenden Gestein getrennt werden muss, um seine

wahre Pracht zu zeigen, zuerst vom Durchschnittsempfinden der heute üblichen Sprache abgetrennt werden müssten. Also ich weiss nicht, ein ganzes Buch voller Worte, ohne jeden Zusammenhang, ohne eigentliche Story, dieser Art von Buch kann ich absolut nichts abgewinnen. Trotzdem ist es eine erwähnenswerte Geschichte, eben weil es so ungewöhnlich ist. Frau Lazor hatte es sich bei der Vorstellung nicht nehmen lassen, aus einigen Werken ein paar Kostproben selbst vorzulesen. Auch waren einige Exemplare als Vorabdruck ausgestellt. Nun mag sich jeder sein eigenes Bild davon machen, ich habe hier einfach mal einen kurzen Auszug aus ihrem Werk “Der schwarze Karton” eingefügt, damit man eine Vorstellung davon bekommt, wie sich diese neue Art von Büchern liest:

.......... Zahlen pfeifen vor der der Herr Gummibandagen wer Tag und ein Euter. Treuhand am Lokus der Geschichte. Musik fragt Margot ist Beine Rot die Herstellung auf Mohammed und die gestohlene Menstruation Pausenbrot. Gewaltige Metzger fliehen auf Nummernkonten wo Brasilien als Wasser für die der Benutzer am Weg der Feind? Uwe grast für James Bond der Silberstreif vom Licht bei zum Angst trüb ein Seele Ei von Achsenkopf Kinder die Autobahn am Lagerfeuer lecken alte Reispflanzen zwitschern die Huren das Gesicht. Der Kurhotel blaue Brombeeren waghalsige Neutronen......

Das soll mal genügen und wer mit solchen Texten etwas anfangen kann, der scheint eindeutig weiter zu sein, als wir. Man möge sich vorstellen, in dieser Art soll man dann 700 Seiten lesen. Man fragt sich doch, macht es überhaupt einen Sinn, sowas zu lesen, weil es vermeintlich keinen  Inhalt gibt?


In der Kürze liegt die Würze

Ein Autor von Kurzgeschichten lebt seit einiger Zeit hier in unserer Siedlung, der Herr Herbold. Seine Geschichten spielen in der ganzen Welt und beim Verfassen zehrt er aus seinem Schatz an Erfahrungen, die er bei jahrelangen Auslandsreisen gemacht hat. Diese Reisen unternahm er in den Jahren zwischen 1988 und 2002 als Weltenbummler, wo er fast permanent unterwegs war. An keinem Ort hielt es ihn länger als 3 Wochen, das war so eine magische Grenze, wie er sagt. Um länger zu bleiben war sein Antrieb, möglichst viel von der Welt kennen zu lernen einfach zu groß, auch wenn es an manchen Orten so schön war, dass er eigentlich gerne geblieben wäre.

Wer nun erwartet, dass seine Kurzgeschichten Reiseberichte wären, der liegt völlig daneben. Es sind eigenständige, erfundene Geschichten, die keine Anleitung zu Reisen bieten, die auch keine Landschaften oder Städte beschreiben, die aber in den unterwegs erlebten Milieus spielen. Teils werden darin auch echte Erlebnisse verarbeitet, es geht aber in keiner Geschichte darum, irgendwelche reisetechnischen Abläufe darzulegen. Herr Herbold, der 59 Jahre alt ist, hat heute keine Lust mehr zu

Herr Herbold, Autor von Kurzgeschichten

reisen. Das begründet er damit, dass er dafür damals schon zuviel erlebt hat und dass neue Eindrücke von Reisen nur die alten Erinnerungen löschen, irgendwie behindern oder verfälschen würden, was er in jedem Fall verhindern will. Die Unlust, heute noch zu reisen, begründet er zudem noch als zweiten Grund damit, dass er zeitlebens nie eine richtige feste Heimat genossen hat, wo man einen steten, festen Bezugspunkt hat, an dem man sich wirklich wohl fühlt. Genau diesen Punkt hat er hier in der Siedlung aber gefunden und holt jetzt die Bodenständigkeit nach, die ihm früher immer gefehlt hat. Viele Leute machen es im Alter eher umgekehrt und wollen von der Welt noch all das sehen, wozu sie in ihrer Jugend keine Zeit und kein Geld für hatten.

Fortsetzung folgt ....

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