Krematorium

Krematorium zu verkaufen (?)

Zugegeben, bei dem nun folgenden Bericht haben wir es uns nicht leicht gemacht mit der Entscheidung, ob wir den überhaupt veröffentlichen sollen und davor bereits, ob wir diese sicher etwas ungewöhnliche Stätte überhaupt besuchen sollen. Es handelt sich dabei um ein altes Anwesen, welches schon seit rund 30 Jahren leer steht und verfällt, zugewachsen ist und vor einiger Zeit von einem Makler für eher wenig Geld zum Verkauf angeboten wurde. Der Makler formulierte es so, man habe ihm gesagt, dass es sein könne, dass dieses Anwesen bzw. die Gebäude darauf, früher als Krematorium genutzt wurden, er selbst sei sich da aber nicht so sicher, ob das zuträfe oder ob es eine eher kleinindustrielle Nutzung gewesen sei. Daher versehen wir diesen Bericht bezüglich des Titels “Krematorium (?)” auch mit einem vorsichtigen Fragezeichen. Ich muss zugeben, bei der Besichtigung sprach einiges dafür, dass es ein solches Institut gewesen sein könnte, für eine abschließende Klärung reichten die Fakten mit Sicherheit nicht aus.

Früherer Eingangsbereich für Besucher

Der Makler, den wir flüchtig von früheren Besichtigungen her kennen und der weiss, dass wir eine gewisse Affinität zum Erkunden früherer industrieller Gebäude haben, rief uns damals an und sagte, dass er aktuell ein für uns vielleicht interessantes, nicht alltägliches Objekt an der Hand hätte, welches wir einmal besichtigen könnten. Er bot uns an, dass wir an einer Besichtigung, die mit verschiedenen Kaufinteressenten für einen Samstagmorgen geplant war, teilnehmen konnten. Das macht er gerne, auch aus eigenem Interesse, denn dann sieht es für die anderen Kaufinteressenten immer so aus, als ob es anscheinend wesentlich mehr andere Kaufwillige für das Gelände geben würde, wodurch sich Preisverhandlungen in seinem Sinne leichter nach oben drücken lassen. Wir haben da untereinander vereinbart, dass wir bei den Besichtigungen den anderen möglichen Käufern gegenüber nicht erwähnen, dass wir gar keinen Kauf beabsichtigen, sondern es

uns nur um das pure Interesse an der historischen Bausubstanz und den alten Anlagen geht. Vielleicht eher im Gegenteil, dass wir dort sogar noch äussern, dass wir das Objekt für einen bestimmten Betrag, den uns der Makler vorher angedeutet hat, kaufen würden, sofern es dafür zu haben sei. Dann sind andere ernsthafte Interessenten oftmals gleich bereit, mehr dafür zu geben. So profitieren beide davon, wir können uns nach Herzenslust dort umschauen und Fotos machen und der kann vielleicht den Kaufpreis etwas nach oben “korrigieren”. Am besagten Samstag trafen wir um punkt 9.30 Uhr dort ein, es war gar nicht mal übermässig weit von unserer Heimatregion, man könnte sagen, im 40 km - Umkreis davon. Der Eingangsbereich war schon sehr weit mit diversen Sträuchern, Bäumen und Unkraut zugewachsen und nur provisorisch in einer kleinen Schneise freigeschnitten worden, damit die Teilnehmer der Besichtigungsrunde überhaupt erst dort hinein konnten, ohne sich gleich die Klamotten zu beschädigen. Was man so nicht sehen konnte, das Gesamtgrundstück war schon ziemlich groß, um die 5.000 m², aber vollständig zugewuchert.

Hinter einem Vorraum folgte ein vom Makler als Gedenkraum bezeichneter Bereich mit einer kleinen Bühne und alten muffigen Vorhängen. Hier könnte man vermuten, dass dort früher mal die Särge aufgebahrt wurden, damit Angehörige sich in Gedenken nochmal verabschieden können, wie gesagt, eine Vermutung unsererseits, für die einiges sprach. Natürlich überhäuften die anderen Teilnehmer der Besichtigung den Makler mit Fragen dazu, der gab sich jedoch bewusst wortkarg und sagte nur das allernötigste. Viele Fragen blieben von ihm auch unbeantwortet, weil er dann immer sagte, dass sein Auftraggeber, also der eigentliche Verkäufer, das alles selbst nicht genau wisse, da er das Anwesen vor 20 Jahren von einem verstorbenen Onkel geerbt hätte, es selbst aber nie genutzt hat. Ein auffallend kleiner Mann, der an der Besichtigung etwas gelangweilt teilnahm, murmelte immer vor sich hin:

Gedenkraum
Alter Büroraum

“Abreissen, alles abreissen und neu bauen! Es ist mir egal, was da früher mal war. Früher war früher und heute ist heut!” Ob das ein Bauunternehmer oder Architekt war, ich weiss es nicht, vermutlich eher letzteres, weil er ständig auch was von einem Wohnpark schwafelte, den er vermutlich dort planen will. Es folgte ein schmuddeliger alter Büroraum, in dem teils sogar noch die alte Einrichtung und sogar noch ein Schrank voller Uralt - Aktenordner war. Man hätte vielleicht mal nachblättern können, was da drin steht, dann hätte man sicher gewusst, was da mal los war, aber es hat sich keiner getraut, wir auch nicht, weil alles mit dicken Schimmelflecken überzogen war. Man will sich dort schließlich keine Krankheiten einfangen, das wäre die Sache gewiss nicht wert. Der Makler merkte an, dass selbst viele Leute aus der näheren Umgebung heute gar nicht mehr wüssten,

Vorbereitungsraum

dass auf diesem verwilderten Grundstück überhaupt noch Gebäude stehen, weil man die von außen gar nicht mehr sieht. Dann führte uns der Weg in einen sehr heruntergekommenen Raum, den der Makler als Vorbereitungsraum bezeichnete, in dem auf dem Boden eine Art runder Betonwanne eingelassen war, deren Sinn sich weder uns noch dem Makler erschloss. Sonst gab es noch etliche Reste von alten Installationen, die jedoch zum größten Teil schon vor langer Zeit heraus getrennt worden waren. Eine rothaarige Frau, die zusammen mit ihrem Partner an der Besichtigung teilnahm, verzog in diesem Raum schon ziemlich angewidert das Gesicht und meinte mit stockender Stimme, dass sie sich lieber erst gar nicht vorstellen möchte, was dort früher mal gemacht wurde. Ihr Partner zuckte daraufhin nur gleichgültig mit den Schultern und meinte: “Ja was solls, wir würden das ja alles umbauen. Und keiner weiss, welches Leid andere Steine schon in 

Der heisse Raum

ihrer millionenjahrealten Geschichte miterlebt haben und trotzdem bauen wir heute Häuser damit.” Das beruhigte die Frau nicht wirklich. Von dort aus ging es dann in den vom Makler als “Heissen Raum” bezeichneten eigentlichen ehemaligen Krematoriumsraum. Kayla meinte daraufhin: “Es hätte auch vielleicht nur ein großer Backofen sein können, vielleicht eine ehemalige Bäckerei.” Sie sagte das in keiner bösen Absicht, sondern weil es wirklich zu dem Zeitpunkt ihr Eindruck war. Die rothaarige Frau fasste das aber völlig falsch auf und schimpfte, dass das nun wirklich kein Ort für derartig blöde und primitive Späße sei. Außerdem halte sie die erdrückende Atmosphäre dort nicht länger aus. Sie beschimpfte dann ihren Partner, dass er wohl ein Blödmann sei, wie könne man nur ernsthaft in Erwägung

ziehen, eine Immobilie mit solch einer abscheulichen Geschichte zu kaufen? Der schaute nur gelangweilt und meinte dann: “Ja du schon wieder! Mit deinen zehntausend Bedenken gegen Alles! Und wenn es morgen regnet, bin ich schuld, wegen der Besichtigung von dem hier!” Beide verliessen dann noch weiter streitend das Anwesen. Etliche andere schienen aber durchaus sehr interessiert an der Immobilie und hatten da viele Pläne, was man daraus alles machen könne. Das rege Interesse lag gewiss auch mit an dem sehr günstigen Preis. Ein vielleicht 30jähriger, recht schnöselig wirkender Mann meinte, dass er daraus eine riesige moderne Techno - Diskothek machen würde, dann käme endlich mal Leben in die Bude, was dieses Gemäuer früher wohl vermisst habe. Der kleine Mann steuerte unterdessen wieder sein übliches: “Abreissen, alles abreissen und neu bauen! Es ist mir egal, was da früher mal war. Früher war früher und heute ist heut!” bei. Also wir beide waren uns einig, so interessant alte Objekte dieser Art auch sind, aber sowas würden wir dann doch nicht wirklich kaufen.

Nichts destotrotz, neulich kamen wir dort nochmal vorbei und tatsächlich hat das Anwesen einer gekauft. Der gesamte Wildwuchs ist fort und alle alten Gebäude sind bereits abgerissen. Derzeit wird in dem Bereich gewaltig neu gebaut, ein großer Gebäudekomplex ist bereits im Rohbau fertig, drei weitere befinden sich daneben noch im Bau. Ich vermute, dass der kleine “Abreissen - Mann” das Ding gekauft hat.

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